Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
Hier können Sie Probelesen in einem Buch der Autorin Leena Lehtolainen.
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Taschenbuch
224 Seiten
Argument Verlag
(Ariadne Krimi 1118)
2002 (2. Aufl.)
Übersetzung:
Gabriele Schrey-Vasara
Originaltitel:
"Kuparisydän" (1995)


Kurzbeschreibung

Arbeitslos bleiben oder ein halbes Jahr in die Kleinstadt Arpikylä ziehen - als Vertreterin des Ortspolizeidirektors? Maria Kallio, rothaarig, klein und tough, wählt den Job und erwartet ein Idyll, wo allenfalls betrunkene Mopedfahrer zu verwarnen sind. Doch kaum ist Kallio im Amt, da stürzt eine ansässige Künstlerin vom Turm der stillgelegten Kupfermine? Leena Lehtolainen, bekannteste der modernen finnischen Krimiautorinnen, hat mit der Polizistin und Juristin Maria Kallio die erste weibliche Kultfigur der finnischen Krimiszene geschaffen.

Weitere Informationen (Ext. Link)

Leseprobe

1

Ich hatte immer schon ein gutes Geruchsgedächtnis.
Noch nach Jahren kann ich mir den Duft eines Ortes oder eines Menschen in Erinnerung rufen. Wenn ich an den Frühling denke, fällt mir das lockende Aroma der feuchten Erde ein, den Herbst erkenne ich am schweren, melancholischen Dunst des nassen Laubs.
Bei Ostwind stieg von der Abraumhalde des Bergwerks, die von allen Plörre genannt wurde, der bittere Geruch von Schwefel und Kupfer auf und legte sich über Arpikylä. Keine Frage, ich war wieder in meiner Heimatstadt, die ich mit neunzehn, vor gut zehn Jahren, hinter mir gelassen hatte. Als ich noch hier lebte, hatte ich den Geruch kaum wahrgenommen. Damals war mir auch nicht aufgefallen, wie majestätisch der graue, steinerne Turm das Profil der Stadt beherrschte. Als ich jetzt die Hauptstraße entlangging, hing der Turm über der Stadt wie ein großes graues Gespenst, gleichzeitig schwerelos und bedrückend.
Der Hügel, auf dem er stand, glänzte kupfern; die leuchtende Farbe unterstrich die drohende Finsterkeit des Turms. Ich konnte nicht anders - ich musste den Blick abwenden, den klaren Himmel anschauen und die grünenden Birken unterhalb des Hügels. Und mich fragen, was in aller Welt mich hierher zurückgeführt hatte. Ich hatte sogar schon angefangen, mich in Arpikylä einzugewöhnen. Ich war ja nicht für immer zurückgekommen, nur für ein halbes Jahr, und davon hatte ich die ersten zwei Monate schon hinter mir. So allmählich gewöhnte ich mich daran, dass das Leben mich ohne Vorwarnung von einem Ort an den nächsten warf. Vor gut einem Jahr hatte ich das Juraexamen abgelegt und in einer kleinen Anwaltskanzlei in Tapiola einen Job gefunden. Anfangs ließ sich alles ganz gut an, aber nach und nach kamen mir die Vorgänge in der Kanzlei immer verdächtiger vor. Während des Weihnachtsurlaubs hatte ich beschlossen, risikofreudig zu sein und zu kündigen, aber gerade da bekam der Chef und Hauptteilhaber einen Herzinfarkt und starb.
Bei der Nachlassabwicklung stellte sich heraus, dass die Kanzlei konkursreif war. Die Firma wurde verkauft, und ich stand mit einer Kündigung und ein paar Monatsgehältern Abfindung da. Einen neuen Job zu finden schien unmöglich. Ich hatte sogar meinen Stolz geschluckt und bei meinem früheren Arbeitsplatz, dem Dezernat Gewaltkriminalität bei der Kripo in Helsinki, angerufen - ich bin nicht nur Juristin, sondern auch Kriminalhauptmeisterin -, aber dort war natürlich nichts frei, im Gegenteil, das Dezernat sollte abgebaut werden. Auch alle anderen Versuche schlugen fehl.

  Leena Lehtolainen bei schwedenkrimi.de
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Leseprobe

Mein Leben hatte keinen Fixpunkt, denn zu allem Überfluss war mein Freund Antti gerade für ein knappes Jahr nach Chicago gegangen, um dort nach seiner Promotion wissenschaftlich zu arbeiten. Ich hing trübselig in Anttis Wohnung herum, die mir schrecklich leer vorkam, und verbrachte die Hälfte des Tages beim Sport, die andere Hälfte mit Lesen. Durch die Kneipen zog ich auch viel zu oft. In meiner Verzweiflung spielte ich sogar mit dem Gedanken weiterzustudieren. Da mir nichts Besseres einfiel, hatte ich beschlossen, von meinem letzten Geld für einen Monat nach Chicago zu fliegen. Das bedeutete natürlich, dass mir erst mal das Arbeitslosengeld gestrichen wurde. Am Tag vor dem Abflug rief Jussi Rantanen an, der Ortspolizeidirektor von Arpikylä.
Er erklärte, er wolle endlich sein Jurastudium abschließen und brauche für ein paar Monate eine Vertretung. Jussi Rantanen und meine Eltern gehören zu den Stützen des Kammerchors von Arpikylä. Infolgedessen war die arbeitslose Tochter des Ehepaars Kallio nach Ansicht von Ortspolizeidirektor Jussi die passende Kandidatin für die Vertretung. Ich wusste nur zu gut, dass ich Ende September die nächste Rate meines Studiendarlehens zurückzahlen musste. Der Ortspolizeidirektor in meiner Heimatstadt konnte nicht so wahnsinnig viel zu tun haben, dachte ich. Irgendeine Bude würde ich wohl auch finden - bei meinen Eltern zu wohnen wäre mir nicht im Traum eingefallen, und ich glaube auch nicht, dass sie das gewollt hätten. Ich bat mir ein paar Wochen Bedenkzeit aus. Schließlich rief ich Jussi von Chicago aus an und sagte zu, obwohl Antti skeptisch war. »Du behauptest doch immer, du hasst die Stadt. Was treibt dich jetzt plötzlich dahin?« »Ein halbes Jahr lässt es sich überall aushalten. Und ein paar nette Leute wohnen da immerhin auch. Ella, meine beste Schulfreundin, ist Kulturdezernentin. Und Koivu arbeitet ja inzwischen in Joensuu, das ist bloß eine halbe Stunde von Arpikylä.« Natürlich gab es noch andere Gründe für meine Zusage. Dass ich bald dreißig wurde, brachte mich irgendwie dazu, nach meinen Wurzeln zu suchen. Vielleicht wollte ich deshalb für eine Weile zurück nach Arpikylä. Arpikylä - das Narbendorf. Der Name war absurd. Man behauptete, er wäre von den wundenartigen Rändern und der schorfbraunen Farbe der Erzschicht unter dem alten Bergwerkshügel abgeleitet. Ein Schulfreund von mir, der die Stadt hasste, hatte immer erklärt, der Name käme daher, dass keiner dort leben konnte, ohne Narben davonzutragen. Natürlich war es ein trostloser Ort, wie jede Kleinstadt, die um einen einzigen Betrieb gewachsen ist. In meinem ersten Jahr auf der Polizeischule hatte ich grinsend gelesen, dass Arpikylä von den Lesern einer Illustrierten auf die Liste der zehn ödesten Städte Finnlands gesetzt worden war. Nie wieder zurück, hatte ich mir geschworen. Es hatte natürlich einen gewissen Schick, aus Arpikylä zu stammen. Es klang interessanter als Hyvinkää, Loimaa oder Kokemäki, irgendwie härter.


Buchtipp
Camilla Läckberg - Die Eishexe: Kriminalroman (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)

Maria Kallio aus Arpikylä, dem Wilden Osten Finnlands. In den letzten Jahren hatte die Stadt versucht, sich ein neues, freundliches Image zuzulegen. Das Motto dieser Kampagne klang allerdings ziemlich krampfig: Arpikylä - die Stadt mit dem Kupferherz. Dabei waren die Erzvorkommen, denen die Stadt ihre Existenz verdankte, seit Jahren erschöpft.
Vom Turm her war ein immer schneller wiederholtes Warnsignal zu hören. Ich sah besorgt hinüber. Sie würden doch wohl nicht den Turm zum Einsturz bringen? Ich wusste zwar - schließlich hatte ich selbst die Genehmigung erteilt -, dass nur eine kleine Sprengung in ziemlicher Entfernung vom Turm vorgesehen war, aber ich konnte nicht anders als stehen zu bleiben und mich zu überzeugen, dass der graue Alte den Anprall überstand. Links hinter dem Turm stieg eine winzig kleine Staubwolke auf, als auch schon das gleichmäßige Entwarnungssignal ertönte. Der neue Pächter des Alten Bergwerks setzte die Ausfahrt für die Touristenführungen durch die Stollen instand. Nächsten Freitag sollte das Gelände eröffnet werden. Ich winkte dem Turm zu, bevor ich mich auf den Weg zum Polizeirevier machte. Er winkte nicht zurück, sondern starrte mich böse an: Wie konnte ich mir einbilden, so ein kleiner Knall würde ihm etwas anhaben? Einen Moment lang erschien mir der Turm geradezu Furcht erregend; er führte das Kommando, er warf lange, dunkle Schatten über seine Umgebung. Noch beim abendlichen Jogging hatte ich das Gefühl, der Turm wachte über meine Schritte. Ich hatte mir vorgenommen, während meiner sechs Monate in ländlicher Umgebung gesund zu leben: viel Sport, viel Schlaf, viel Gemüse und unter der Woche höchstens ein Bier pro Abend. Das gesunde Leben zahlte sich aus, das Laufen fiel mir neuerdings so leicht, dass ich mit dem Gedanken spielte, im August am Helsinki City Marathon teilzunehmen. Koivu hatte mir erzählt, dass die Polizeibehörde in Joensuu eine Mannschaft aufstellte, vielleicht konnte ich mich da anschließen ... Nach einem Blick auf die Uhr zog ich das Tempo an.
Ich hatte beim Weggehen die Sauna angeheizt, denn ich hatte nur sechs Kilometer laufen wollen. Jetzt waren es schon acht, und für den Rückweg nach Kuusikangas würde ich noch zehn Minuten brauchen. Bestimmt war das Feuer bis dahin längst ausgegangen. Mein Herzschlag war doppelt so schnell wie der Rhythmus des Simon & Garfunkel-Songs in meinem Walkman. Ich mochte aber nicht anhalten und das Band vorspulen. Dieser Teil der Waldstrecke war mir immer unheimlich gewesen; hinter den schwarzgrünen Kiefern konnte sich alles Mögliche verbergen. Auch das ferne Motorengeräusch klang bedrohlich.
Ein Nissan mit lädiertem Auspuff tauchte auf dem Hügel hinter mir auf, knatterte vorbei und bremste plötzlich. Als der Fahrer die Tür aufstieß, war ich drauf und dran kehrtzumachen. Die untergehende Sonne hinter den Kiefern spiegelte sich in der Tür und blendete mich, so dass ich das Gesicht des Fahrers nicht gleich sah.
»Maria!«
Die Stimme kam mir irgendwie bekannt vor. Ich lief zum Auto. Auf halbem Weg begriff ich plötzlich, dass der Mann dort Johnny war. Ich verfluchte meine zerschlissene Jogginghose, mein schweißnasses Gesicht und meine zerzausten Haare. Beim ersten Wiedersehen mit Johnny nach fünfzehn Jahren hätte ich es vorgezogen, möglichst toll auszusehen.
»Ja, ich bin?s«,
sagte ich gewollt unbefangen, obwohl die Hand, die ich Johnny entgegenstreckte, zitterte.
»Ich hab schon von deiner Mutter gehört, dass du hier arbeitest. Ich hatte vor, irgendwann mal vorbeizuschauen.«
Einen Moment brachte ich kein Wort heraus, guckte ihn nur an. Johnny war immer noch göttlich schön, genau wie damals, als ich fünfzehn war. Eigentlich sah er jetzt noch besser aus. Sein Adoniskörper war so muskulös wie früher, aber in das fast zu perfekte Gesicht des schönen Jungen von damals hatten sich ein paar Falten eingegraben, die ich sehr sexy fand.
»Ich mache die Vertretung für den Ortspolizeidirektor und wohne in Onkel Penas Haus in Kuusikangas. Und du?«,
fragte ich, als wüsste ich es nicht längst.
»Bist du Sportlehrer geworden?«
»Ja, schließlich hab ich mich dann doch dafür entschieden. Die letzten paar Jahre war ich an der Schule in Tuusniemi, jetzt hab ich hier eine Stelle gekriegt. Tuija und ich haben geheiratet, vor zehn Jahren, wir haben zwei Kinder, und seit einem halben Jahr leben wir getrennt.«
Johnny lächelte schwach.
»Wohnt ihr ... wohnst du hier?«
Ich bemühte mich um einen gleichgültigen Ton und strich mir die roten Haare aus dem Gesicht.
»Wir haben ein Haus in Kyykeri, aber da bin ich im Frühjahr ausgezogen. Die Sommerferien über wohne ich mal hier, mal da, meistens bei meinen Eltern in Sysmäjärvi. Anfang August kriege ich dann eine Dienstwohnung. Ich hab ja jetzt eine feste Anstellung. Tuija hat schon seit fünf Jahren ihre Praxis hier. Du hast sicher gehört, dass sie Zahnärztin geworden ist?«
Ich nickte. Es kam mir seltsam vor, dass Johnny so unbefangen plauderte, als hätten wir uns bloß ein paar Wochen nicht gesehen. Vielleicht war das Wiedersehen für ihn nichts Besonderes.
»Willst du ein Stück mitfahren? Ich hol die Kinder ab, sie sind bei Tuijas Eltern im Sommerhaus, und Kuusikangas liegt am Weg.«
»Danke, aber ich lauf noch ein bisschen. Aber wenn du mal in der Nähe bist, dann komm vorbei, du kennst das Haus ja. Wär schön, sich in aller Ruhe zu unterhalten.«
Johnny versprach, sich vielleicht bei Gelegenheit mal blicken zu lassen. Ich setzte mich wieder in Trab, und bald darauf knatterte der Nissan an mir vorbei. Ich rannte in der Staubfahne, die er hinter sich herzog, und mein Herz schlug viel schneller als bei diesem Tempo zu erwarten. Meine Beine waren wie Pudding, ein Wunder, dass ich überhaupt noch fähig war zu laufen. In den vergangenen Jahren hatte ich oft darüber nachgedacht, wie ich reagieren würde, wenn Johnny plötzlich vor mir stünde.
Allerdings hatte ich nicht erwartet, rot zu werden wie ein Teenager. Bestimmt hatte ich eben völlig blöd ausgesehen. Verdammt, erst vorletzte Nacht hatte ich wieder von Johnny geträumt. In den letzten fünf Jahren hatte ich regelmäßig mindestens einmal im Monat solche Träume. Beim Erwachen kam ich mir dann immer wie gedemütigt vor - es lag doch alles schon fünfzehn Jahre zurück, warum kam ich von diesem Phantasie-Johnny nicht los? In meinem letzten Traum waren wir uns in der Sportabteilung im Kaufhaus begegnet. Ich hatte mir Fußbälle angesehen, als Johnny mich plötzlich bei den Armen packte und anfing, mich zu küssen.

Danke an den Ariadne Krimi Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis.
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